Worte verbinden: Professionelles Schreiben in der Online-Beratung

Worte verbinden: Schreibstrategien für die Online-Beratung

Worte verbinden

In der schriftbasierten Beratung übernimmt das geschriebene Wort die Rolle der Stimme und Gestik. Es trägt Gefühle, vermittelt Verständnis und schafft eine Verbindung zu den Ratsuchenden. Egal ob in Mails oder Chats – das Ziel ist es, durch Worte Nähe zu schaffen, Sicherheit zu bieten und gleichzeitig professionell zu bleiben. Doch wie gelingt es, klar, empathisch und verständlich zu schreiben? Hier sind Strategien und Tipps für einen Schreibstil, der in der Online-Beratung wirkt.

Einfache Worte für klare Botschaften

Worte mit wenigen Silben sind leichter zu verstehen. Komplexe Sachverhalte lassen sich auch mit einfachen Worten ausdrücken. Dabei geht es nicht darum, den Wortschatz zu beschränken, sondern um Verständlichkeit und Zugänglichkeit. Besonders in belastenden Situationen können komplizierte Ausdrücke Ratsuchende überfordern.

  • Beispiel: Statt „psychosoziale Belastungen beeinträchtigen Ihre Resilienz“ schreiben Sie „Stress macht es Ihnen schwer, mit allem fertig zu werden.“
  • Tipp: Lesen Sie sich Ihren Text laut vor – klingt er klar und verständlich, ohne an Tiefe zu verlieren?
Strategien und Tipps für Schreiben in der Online-Beratung
Rhythmus macht den Text lebendig

Der Rhythmus macht den Text lebendig

Ein Text lebt von seinem Rhythmus. Schreiben Sie Sätze, die so lang sind, wie Ihr Atem sie tragen kann. Kurze Sätze sind klar und direkt, allerdings wirkt ein Text, der nur aus kurzen Sätzen besteht, monoton. Der Wechsel von kurzen, prägnanten Sätzen und längeren, fließenden Satzstrukturen schafft Abwechslung und Rhythmus, und macht den Text lebendig.

  • Beispiel: „Es ist schwer. Alles scheint über einen hereinzubrechen. Manchmal fühlt es sich an, als gäbe es keinen Ausweg. Doch genau in solchen Momenten ist es wichtig, innezuhalten und durchzuatmen – Schritt für Schritt. Gemeinsam finden wir einen Weg.“

Nutzen Sie Satzzeichen gezielt:

Satzzeichen gezielt nutzen

Punkte und Kommas strukturieren, während Gedankenstriche und Doppelpunkte gezielt Akzente setzen können.

  • Beispiel: „Sie fühlen sich überfordert. Das ist verständlich. Aber lassen Sie uns gemeinsam schauen, was entlasten kann – Schritt für Schritt.“

Struktur durch Gedanken und Absätze

Ein gut strukturierter Text ist wie eine Landkarte, die Orientierung bietet. Trennen Sie Gedanken klar voneinander und gestalten Sie Absätze so, dass sie logisch aufeinander aufbauen. Machen Sie Pausen sichtbar und geben Sie Ihren Gedanken Raum. So wirken Ihre Texte einladend und klar.

  • Leitregel: „Ein Gedanke, ein Satz. Ein Gedankengang, ein Absatz.“
  • Tipp: Nutzen Sie Zwischenüberschriften, um längere Texte übersichtlicher zu gestalten, besonders in Mails.

Bilder im Kopf erzeugen

Ein anschaulicher Text spricht die Sinne an und bleibt im Gedächtnis. Lesen ist wie Fernsehen im Kopf – lassen Sie Bilder entstehen. Bilder helfen Ratsuchenden, sich selbst und ihre Gefühle besser zu verstehen.

  • Beispiel: Statt „Sie sind erschöpft“ schreiben Sie „Es ist, als ob Sie einen schweren Rucksack voller Sorgen tragen.“
  • Tipp: Beobachten Sie, wie Menschen sprechen, und greifen Sie alltägliche Metaphern auf, die vertraut wirken.

Konkret formulieren

Vage Aussagen können missverstanden werden. Präzision gibt Sicherheit und Orientierung. Bringen Sie Ihre Aussagen auf den Punkt und wählen Sie präzise Verben. „Er rennt“ sagt mehr aus als „Er geht schnell“. Die Suche nach dem richtigen Wort lohnt sich: Ein präzises Verb vermittelt eine klare Handlung und schafft ein lebendiges Bild.

  • Beispiel: Statt „Sie sollten mehr entspannen“ schreiben Sie „Versuchen Sie, täglich 10 Minuten für sich zu nehmen, vielleicht bei einem Spaziergang oder mit einem Buch.“
  • Tipp: Setzen Sie starke Verben ein – sie vermitteln Handlungen direkt und lebendig.

Starke Verben nutzen

Verben wie „wachsen“, „tragen“, „graben“ oder „schlagen“ machen Sätze kräftiger und lebendiger. Sie verleihen dem Text Dynamik und Prägnanz. Eine Liste von starken Verben finden Sie hier. https://www.deutschplus.net/pages/Tabelle_starker_Verben

Aktiv statt Passiv

Sätze im Aktiv wirken lebendig, klar und direkt. Das Passiv hingegen schafft Distanz und lässt Texte weniger persönlich erscheinen. Lassen Sie Menschen handeln, statt nur zu geschehen und vermeiden Sie unpersönliche Formulierungen. Das stärkt die Verbindung.

  • Beispiel: Statt „Es wurde Hilfe angeboten“ schreiben Sie „Ich habe Ihnen Hilfe angeboten.“

Adjektive bewusst einsetzen

Adjektive können Texte bereichern, aber zu viele lassen sie aufgebläht wirken. Nutzen Sie sie gezielt, um eine Aussage zu präzisieren. Wenn Adjektive keine zusätzliche Information bieten, streichen Sie sie.

  • Beispiel: „Ein klares Ziel“ ist stärker als „ein gutes Ziel.“

Füllwörter vermeiden

Füllwörter wie „eigentlich“, „irgendwie“ oder „relativ“ schwächen Ihre Aussagen. Streichen Sie überflüssige Wörter, um Klarheit zu schaffen.

  • Beispiel: Statt „Das ist irgendwie wichtig“ schreiben Sie „Das ist wichtig.“

Auf Bedeutungsunterschiede achten

Ein präziser Sprachgebrauch zeigt Respekt und Verständnis. Kleine Unterschiede, wie zwischen „anscheinend“ und „scheinbar“, können große Auswirkungen haben. Ein klassisches Beispiel ist der Unterschied zwischen „anscheinend“ und „scheinbar“. Nutzen Sie die richtige Formulierung, um Respekt und Empathie zu vermitteln.

  • Beispiel: „Du bist anscheinend besorgt“ (ich nehme deine Sorge ernst) vs. „Du bist scheinbar besorgt“ (es wirkt so, aber ich glaube es nicht).

Mailberatung: Klar, einfühlsam, professionell

Mails geben Raum für tiefere Reflexion und ausführlichere Gedanken. Hier können Sie umfassender auf Fragen eingehen und Lösungen vorschlagen. Wichtig ist es Empathie und Professionalität in Einklang zu bringen. Schreiben Sie klar und direkt, ohne zu beschönigen. Ihre Ernsthaftigkeit zeigt den Ratsuchenden, dass Sie sie respektieren.

  • Beispiel:
    • Einstieg: „Ich verstehe, dass die Situation Sie belastet.“
    • Abschluss: „Vielleicht hilft es, zunächst kleine Schritte zu planen.“

Chatberatung: Tempo und Präzision

Chats sind schneller, direkter und umgangssprachlicher. Passen Sie sich der Alltagssprache an, und bleiben dabei authentisch und professionell. Passen Sie Ihre Sprache an die der Ratsuchenden an, ohne Ihre Professionalität zu verlieren.

  • Beispiel: Auf eine Nachricht wie „Ich weiß nicht mehr weiter“ könnten Sie direkt antworten: „Das klingt sehr belastend. Schreiben Sie mir, was Sie gerade beschäftigt. Ich bin da“

Ihr Text, Ihre Note

Ob Mail oder Chat – Ihre Worte sind ein wichtigstes Werkzeug in der Online-Beratung. Sie geben dem Text eine persönliche Note und schaffen eine beraterische Nähe. Schreiben Sie so, dass sich die Ratsuchenden ernst genommen und verstanden fühlen. Denn: Worte verbinden.

Autorin des Artikels
Birgit Knatz