Trauer im Frühling – ein Thema für die Onlineberatung

Während die Natur erwacht, erleben viele trauernde Menschen den Frühling als besonders schmerzhaft. Dieser Beitrag stammt von der Nicolaidis YoungWings Stiftung und richtet sich an junge Trauernde. Wir veröffentlichen ihn im Rahmen unseres Blogs als gelungenes Beispiel für einfühlsame Onlinekommunikation in psychosozialen Kontexten. Die beschriebenen Übungen und sprachlichen Zugänge können auch für Fachkräfte der Onlineberatung Anregung sein – insbesondere im Umgang mit sensiblen Themen wie Verlust und Trauer im digitalen Raum.“

Der Frühling gilt traditionell als Jahreszeit des Neuanfangs. Die Natur erwacht aus ihrem Winterschlaf, Blumen beginnen zu blühen, Bäume strecken ihre Äste aus, und die Vögel kehren aus dem Süden zurück. Für viele Menschen bedeutet diese Zeit des Jahres Hoffnung, Leichtigkeit und einen frischen Blick auf das Leben. Doch wie fühlt es sich an, wenn Trauer genau in dieser Jahreszeit spürbar wird – oder weiterbesteht?

Wenn die Welt aufblüht und man selbst in der Trauer bleibt

Trauer und Frühling mag für dich auf den ersten Blick vielleicht wie ein Gegensatz erscheinen. Während draußen alles grün wird, kann sich der Verlust deines geliebten Menschen oder Bezugsperson besonders schmerzlich zeigen. Der Kontrast zwischen dem äußeren Aufbruch und dem inneren Erleben verstärkt möglicherweise bei dir Gefühle wie Einsamkeit, Angst oder Überforderung. Während alle um dich herum scheinbar voller Energie durchstarten, kann sich bei dir vielleicht das Gefühl einstellen, nicht „mitzuhalten“ – oder nicht richtig zu sein, mit dem, was du fühlst. Dies könnte sich für dich wie eine zusätzliche Belastung anfühlen: der Wunsch, sich anzupassen, mitzuschwingen, wieder „normal“ zu sein, und gleichzeitig das Wissen, dass das im Moment einfach nicht möglich ist. Deine Trauer kennt kein Frühlingserwachen auf Knopfdruck. Sie kommt in Wellen, und sie bleibt manchmal länger als gedacht.

Die Natur als mögliche Trostspenderin

Und doch kann dir die Natur auch Trost spenden. Vielleicht nicht sofort, nicht laut, aber leise. Die aufblühenden Blumen, das Zwitschern der Vögel, der erste warme Wind – all das kann eine Einladung für dich sein, wieder etwas wahrzunehmen. Nicht im Sinne eines „Jetzt wird alles gut“, sondern als stille Erinnerung daran, dass sich Dinge verändern dürfen. Dass auf den Winter der Frühling folgt und auch auf Phasen des Stillstands wieder Bewegung kommen kann. Manche finden gerade in dieser Jahreszeit Momente, in denen sie ihre Trauer besser fühlen können. Andere erleben kurze Augenblicke der Verbindung, der Dankbarkeit oder des Friedens – ohne dass die Trauer weg ist. Der Frühling ruft nichts ab. Er bietet nur an.

Übungen: Zwei Ideen für dich

Vielleicht möchtest du dich deiner Trauer auf eine sanfte Weise nähern. Zwei kleine Übungen laden dich ein, zu spüren, was gerade da ist – und gleichzeitig Raum für etwas Neues zu öffnen.

Gefühlswetter im Namen

Gerade im April ist das Frühlingswetter oft noch wechselhaft – genau wie unsere Gefühle. Diese Übung kann dir helfen, deine Stimmung und Gedanken sichtbar zu machen. Schreibe deinen Vornamen untereinander auf – einen Buchstaben pro Zeile. Alternativ kannst du auch den Namen eines geliebten Menschen aufschreiben, den du verloren hast, wenn sich das für dich stimmig anfühlt.

Überlege dir zu jedem Buchstaben zwei bis drei Gefühlsworte, die du damit verbindest. Das können angenehme, unangenehme oder auch gemischte Gefühle sein. Vielleicht hilft es dir, dir vorzustellen, dass jedes dieser Gefühle ein kleines „Wetterphänomen“ ist – ein Sonnenstrahl, ein Regenschauer, ein Windstoß oder ein stiller Nebel.

Beispiel (Name: Friederike):
F – Fröhlich, frei, fassungslos
R – Ruhig, reizbar, rastlos
I – Interessiert, in sich gekehrt, irritiert
E – Ehrlich, erschöpft, entspannt
D – Dankbar, durcheinander
E – Erwartungsvoll, empört, erfüllt
R – Ratlos, reizüberflutet, reflektiert
I – Intuitiv, inspiriert
K – Kraftvoll, kreativ, kontrolliert
E – Ermutigt, erleichtert, ergriffen

Vielleicht möchtest du danach auf folgende Fragen schauen:

  • Welche Gefühle stehen für heute?
  • Gibt es ein Gefühl, das dich überrascht?
  • Was wünschst du dir für dein inneres „Wetter“?

Etwas aussäen

Der Frühling steht für Wachstum, auch wenn es innerlich noch dunkel ist. Vielleicht magst du ein kleines Zeichen setzen, ganz für dich.

Such dir ein kleines Gefäß oder ein Stück Erde. Wähle ein paar Samen, zum Beispiel Kresse, Ringelblumen oder Sonnenblumen. Halte den Samen kurz in deiner Hand. Vielleicht kommt dir ein Gedanke: an etwas, das du vermisst. Oder etwas, das du dir wünschst. Vielleicht auch einfach nur: „Ich bin da.“

Dann säe den Samen ein. Gieße ihn. Und lass ihn in Ruhe wachsen. Es geht nicht um das Ergebnis, sondern um die Geste.

Manchmal braucht es nur ein winziges Zeichen, um sich zu erinnern: Auch in schwierigen Zeiten kann etwas entstehen. Ganz langsam. Ganz leise. Und in deinem eigenen Tempo.

Wenn du Unterstützung suchst

Wenn du über deine Gedanken oder Gefühle sprechen möchtest, kannst du dich jederzeit an uns wenden – anonym, kostenlos und in einem geschützten Raum. Über unsere Mailberatung oder Messengerberatung kannst du direkt mit unseren Online-Berater*innen in Kontakt treten, oder du hast die Möglichkeit, dich in unserem wöchentlichen Trauerchat mit anderen jungen Trauernden über eure Erfahrungen mit Trauer auszutauschen.

Hier findet du Hilfe: https://www.youngwings.de/